1700 - 1450 v. Chr. (Spätminoisch)
Zweite Palastepoche von 1700 - 1450 v. Chr. (Spätminoisch)
Um 1.700 v. Chr wurde beinahe alle Paläste vollständigt durch Erdbeben zerstört. Diese Zerstörungen unterbrachen aber nicht das Tempo der Entwicklung, vielmehr wurden die Paläste sehr schnell wiederaufgebaut und noch einmal zur machtvollen Zentren. Verwinkelt und mehrstöckig, hatten sie unzählige Korridore und Vorratsräume für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Werkstätten, Unterkünfte für das Verwaltungspersonal, für die Arbeiter und Diener. Die luxuriösen königlichen Gemächer und die Empfangshallen sind großzügig mit minoischen Fresken geschmückt. Die Sommerpaläste der Könige von Knossos (das Gebäude in Archanas, 15 km südlich von Knossos) und Phaistos (Villa in Agia Trias, 3 km nördlich von Phaistos), die fürstlichen Residenzen in der Nähe von Knossos (Kleiner Palast) und in Malia, die Landvillen sowie die eindrucksvollen Kuppelgräber zeugen vom hohen Lebensstandard, den die Aristokratie jener Zeit genoß. Reste einiger minoischer Siedlungen geben ein gutes Bild von dem einfacheren Leben zur damaligen Zeit. Beispiele dafür sind die Stadt Akrotiri (auf der Insel Santorini, damals Thera) sowie die Stadt Gournia ( ca. 40 km östlich von Agios Nikolaos). Hier wurden einige gut erhaltene Ruinen einer typisch minoischen Stadt ausgegraben mit zweistöckigen Häuser, aufgeteilt in Stadtbezirke, die durch gepflasterte Umgehungsstraßen unterteilt werden.
1450 - 900 v. Chr. (Mykenische Periode)
Mykenische Periode von 1450 - 900 v. Chr.
Auf dem Höhepunkt ihrer Etwicklung wurden die Minoer vom Vulkanausbruch auf der Insel Thera um 1.450 v. Chr überrascht. Er zerstörte fast alle kretischen Paläste und markierte den Beginn des Endes der minoischen Kultur. Bei eben diesem Anlaß wurde auch die Hauptstadt auf der Insel Thera zerstört. Den stark spätminoischen Charakter dieser Stadt konnte man bei den Ausgrabungen von Akrotiri im Jahre 1967 erkennen. Es wurden zwei- und dreistöckige Häuser freigelegt, riesige Lagerhäuser, gefüllt mit Geräten und Gefäßen, Straßen mit Steinpflaster und vor allem wunderbare Fresken, die die Wände der Räume schmückten (von denen einige im Nationalmuseum ausgestellt sind) und bei deren Anblick der Betrachter sich über die hochentwickelten Lebensbedingungen und die Kunst in der minoischen Kultur vor dem großen Unglück wundert. Auf Kreta überdauerte lediglich der Palast von Knossos für eine kurze Weile (1.450 bis 1.400 v. Chr.) unter einer mykenischen Dynastie bis zu seiner endgültigen Zerstörung, diesmal durch Feuer, um das Jahr 1.400 v. Chr. Das Studium der mykenischen Periode (1.450 bis 900 v. Chr.) bestätigt, daß Kreta jetzt nur noch eine Rolle am Rande spielte.
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...Um diese Zeit kamen von der Insel Kreta zum drittenmal Abgeordnete des Königs Minos, um den gebräuchlichen Tribut zu holen. Mit diesem verhielt es sich also so:
Der Sohn des Minos, Androgeos, war, wie die Sage ging, im attischen Gebiete durch Hinterlist getötet worden. Dafür hatte sein Vater die Einwohner mit einem verderblichen Kriege heimgesucht, und die Götter selbst hatten das Land durch Dürre und Seuchen verwüstet. Da tat das Orakel Apollons den Spruch, der Zorn der Götter und die Leiden der Athener würden aufhören, wenn sie den Minos besänftigten und seine Verzeihung erlangen könnten. Hierauf hatten sich die Athener mit Bitten an ihn gewendet und Frieden erhalten unter der Bedingung, daß sie alle neun Jahre sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen als Tribut nach Kreta zu schicken hätten. Diese sollen nun von Minos in sein berühmtes Labyrinth eingeschlossen worden sein, und dort habe sie, so erzählt man, der gräßliche Minotauros, ein zwitterhaftes Geschöpf das halb Mensch und halb Stier war, getötet oder sie auf andere Weise verschmachten lassen. Als nun die Zeit des dritten Tributes herbeigekommen war und die Väter, welche unverheiratete Söhne und Töchter hatten diese dem entsetzlichen Lose unterwerfen mußten, da erneuerte sich der Unwille der Bürger gegen Ägeus, und sie fingen an, darüber zu murren, daß er, der Urheber des ganzen Unheils, allein seinen Teil an der Strafe nicht zu leiden habe und, nachdem er einen hergelaufenen Bastard zum Nachfolger ernannt, gleichgültig zusehe, wie ihnen ihre rechtmäßigen Kinder entrissen würden. Den Theseus, der sich schon gewöhnt hatte, das Geschick seiner Mitbürger nicht als ein fremdes zu betrachten, schmerzten diese Klagen. In der Volksversammlung erklärte er sich bereit, sich selbst ohne Los hingeben zu wollen. Alles Volk bewunderte seinen Edelmut und aufopfernden Bürgersinn, auch blieb sein Entschluß, obgleich sein Vater ihn mit den dringendsten Bitten bestürmte, daß er ihn des unerwarteten Glückes, einen Sohn und Erben zu besitzen doch nicht so bald wieder berauben solle, unerschütterlich fest. Seinen Vater aber beruhigte er durch die zuversichtliche Versicherung, daß er mit den herausgelösten Jünglingen und Jungfrauen nicht in das Verderben gehe, sondern den Minotauros bezwingen werde. Bisher nun war das Schiff, das die unglücklichen Opfer nach Kreta hinüber führte, zum Zeichen ihrer Rettungslosigkeit mit schwarzem Segel abgesendet worden. Jetzt aber, als Ägeus seinen Sohn mit so kühnem Stolze sprechen hörte, rüstete er zwar das Schiff noch auf dieselbe Weise aus, doch gab er dem Steuermann ein anderes Segel von weißer Farbe mit und befahl ihm, wenn Theseus gerettet zurückkehre, dieses auszuspannen, wenn nicht, mit dem schwarzen zurückzukehren und so das Unglück im voraus anzukündigen.
Als nun das Los gezogen war, führte der junge Theseus die Knaben und Mädchen, die es getroffen hatte, zuerst in den Tempel des Apollon und brachte dem Gott in ihrem Namen den mit weißer Wolle umwundenen Ölzweig, das Weihgeschenk der Schutzflehenden, dar. Nachdem das feierliche Gebet gesprochen war, ging er von allem Volk begleitet mit den auserlesenen Jünglingen und Jungfrauen ans Meeresufer hinab und bestieg das Trauerschiff.
Das Orakel zu Delphi hatte ihm geraten, er solle die Göttin der Liebe zur Führerin wählen und ihr Geleite sich erbitten. Theseus verstand diesen Spruch nicht, brachte jedoch der Aphrodite ein Opfer dar. Der Erfolg aber gab der Weissagung ihren guten Sinn. Denn als Theseus auf Kreta gelandet war und vor dem König Minos erschien, zog seine Schönheit und Heldenjugend die Augen der reizenden Königstochter Ariadne auf sich. Sie gestand ihm ihre Zuneigung in einer geheimen Unterredung und händigte ihm einen Knäuel Faden ein, dessen Ende er am Eingang des Labyrinthes festknüpfen und den er während des Hinschreitens durch die verwirrenden Irrgänge in der Hand ablaufen lassen solle, bis er an die Stelle gelangt sei, an der Minotauros seine gräßliche Wache hielt. Zugleich übergab sie ihm ein gefeites Schwert, womit er dieses Ungeheuer töten könne. Theseus ward mit allen seinen Gefährten von Minos in das Labyrinth geschickt, erlegte mit seiner Zauberwaffe den Minotauros und wand sich mit allen, die bei ihm waren, durch Hilfe des abgespulten Zwirns aus den Höhlengängen des Labyrinths glücklich heraus. Jetzt entfloh Theseus samt allen seinen Gefährten mit Hilfe und in Begleitung Ariadnes, die der junge Held, beglückt durch den lieblichen Kampfpreis, den er unerwartet errungen, mit sich führte. Auf ihren Rat hatte er auch den Boden der kretischen Schiffe zerhauen und so ihrem Vater das Nachsetzen unmöglich gemacht. Schon glaubte er seine holde Beute ganz in Sicherheit und kehrte mit Ariadne sorglos auf der Insel Dia ein, die später Naxos genannt wurde. Da erschien ihm der Gott Bacchus im Traum, erklärte, daß Ariadne die ihm selbst vom Schicksal bestimmte Braut sei, und drohte ihm alles Unheil wenn Theseus die Geliebte nicht ihm überlassen würde. Theseus war von seinem Großvater in Götterfurcht erzogen worden, er scheute den Zorn des Gottes, ließ die wehklagende, verzagende Königstochter auf der einsamen Insel zurück und schiffte weiter. In der Nacht erschien Ariadnes rechter Bräutigam, Bacchus, und entführte sie auf den Berg Drios, dort verschwand zuerst der Gott bald darauf ward auch Ariadne unsichtbar.
Theseus und seine Gefährten waren über den Raub der Jungfrau sehr betrübt. In ihrer Traurigkeit vergaßen sie, daß ihr Schiff noch die schwarzen Segel aufgezogen hatte, mit welchen es die attische Küste verlaßen, sie unterließen es dem Befehle des Ägeus zufolge die weißen Tücher aufzuspannen, und das Schiff flog in seiner schwarzen Trauertracht der Heimatküste entgegen. Ägeus befand sich eben an der Küste, als das Schiff herangesegelt kam und genoß von einem Felsenvorsprung die Aussicht auf die offene See. Aus der schwarzen Farbe der Segel schloß er, daß sein Sohn tot sei. Da erhob er sich von dem Felsen auf dem er saß, und im unbegrenzten Schmerze des Lebens überdrüßig stürzte er sich in die jähe Tiefe. Indessen war Theseus gelandet, und nachdem er im Hafen die Opfer dargebracht hatte, die er bei der Abfahrt den Göttern gelobt, schickte er einen Herold in die Stadt, die Rettung der sieben Jünglinge und Jungfrauen und seine eigene zu verkündigen. Der Bote wußte nicht, was er von dem Empfange denken sollte, der ihm in der Stadt zuteil ward. Während die einen ihn voll Freude willkommen hießen und ihn als den Überbringer froher Botschaft bekränzten, fand er andere in tiefe Trauer versenkt, die seinen fröhlichen Worten gar kein Gehör schenkten. Endlich löste sich ihm das Rätsel durch die erst allmählich sich verbreitende Nachricht vom Tode des Königs Ägeus. Der Herold nahm nun zwar die Kränze in Empfang, schmückte aber damit nicht seine Stirne, sondern nur den Heroldstab und kehrte so zum Gestade zurück. Hier fand er den Theseus noch im Tempel mit der Darbringung des Dankopfers beschäftigt, er blieb daher vor der Tür des Tempels stehen, damit die heilige Handlung nicht durch die Trauernachricht gestört würde. Sobald das Brandopfer ausgegossen war, meldete er des Ägeus Ende. Theseus warf sich, vom Schmerz wie vom Blitze getroffen, zur Erde, und als er sich wieder aufgerafft hatte, eilten alle nicht unter Freudenjubel, wie sie es sich gedacht hatten, sondern unter Wehgeschrei und Klageruf in die Stadt.
(Aus: Gustav Schwab: Sagen des Klassischen Altertums, München 1963)
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