Gefälleleitungen
Einleitung
Mit dem Wachsen der antiken Städte entstanden immer größere Diskrepanzen zwischen dem natürlichen lokalen Wasserangebot (Quellen, Grundwasser, Regenwasser) und dem steigenden Wasserbedarf. Dadurch entstand schon bald der Bedarf nach mehr oder wenigen langen Wasserleitungen. Eine der ältesten bekannten Leitungen stammt aus dem 7.Jrh.v.Chr. und wurde von den Assyrern bei Dscherwan zur Wasserversorgung von Ninive erbaut. Auch die Griechen beherrschten den Bau von Wasserleitungen. Im antiken Athen wurde das Wasser vom Hymettos sowie vom Pentelikon (zwei Berggipfel in der Nähe der Stadt) in Leitungen herangeführt. Weitere antike Wasserleitungen wurden beispielweise bei Theben, Megara und Pharsalos gefunden.
Griechische Wasserleitungen - Übersicht
Tunnel des Eupalinos, Insel Samos (Griechenland)
Begehbarer Stollenabschnitt
Das bekannteste griechische Bauwerk dieser Art ist aber sicher der Tunnel des Eupalinos mit einem durchschnittlichen Querschnitt von 1,80 x 1,80 Meter. Er wurde in den Jahren um 550 v. Chr. zur Versorgung der Stadt Samos, dem heutigen Pythagorion gebaut. Die antike Wasserleitung hat ihren Anfang jenseits des Stadtmauerberges an einer Quelle im Dorf Agiades (heute überbaut). Von dort führt sie auf einer Länge von 900 m unterirdisch bis zum Nordabhang des Berges, durchquert in einem Tunnel von 1036 m Länge den Bergrücken und verläuft weitere 500 m am Südabhang auf der Stadtseite bis zu einem Brunnenhaus, von dem nur mehr die Grundmauern erhalten sind.
Für die Zuleitung mussten rund 1500 m⊃3; gewachsener Fels ausgehoben werden, für den Tunnel mit dem Kanal rund 5000 m⊃3; und für die Stadtleitung nochmals 500 m⊃3;. Insgesamt war die Leitung mehr als 1000 Jahre im Betrieb, bis sie im 7. Jahrhundert n. Chr. vernachlässigt wurde. Höchste Bewunderung gebührt dem Baumeister Eupalinos aber für die Art und Weise, mit der er die Vermessung des Tunnels gemeistert hat. Der Tunnel ist immerhin 1036 m lang und eindeutig von beiden Seiten gleichzeitig vorrangetrieben worden.
Römische Wasserleitungen - Übersicht
Bei den römischen Wasserleitungen können fünf Konstruktionstypen unterschieden werden: die offene Bauweise, der Tunnel, der Aquädukt, die Leitung auf einer Mauer und die Druckleitung. Wasserleitungen und Aquädukte basierten allein auf Gravitation, d.h. auf einem stetigen Gefälle. Nach Vitruv sollte das Gefälle mindestens 0,5% betragen. In Wirklichkeit lag es bei durchschnittlich bei 0,15%-0,3%. Die Leitungen der Hauptstadt hatten eher niedrigere Werte. Eines der kleinsten Gefälle aller bekannten Wasserleitungen weist der Pont-du-Gard mit 7mm auf 100m auf. |
Agrippa, der seit 33 v. Chr. unter Kaiser Augustus das Amt des Vorsteher über das Bauwesen innehatte, konnte die Wasserversorgung von Rom durch den Bau neuer Leitungen und Laufbrunnen entscheidend verbessern. Zur laufenden Wartung der neuen wassertechnischen Anlagen stellte er 240 Sklaven aus eigenem Besitz zur Verfügung (die sogenannten aquarii). Augustus übernahm nach dem Tod Agrippas diese Sklaven in den Staatsdienst. Außerdem wurden drei Beauftragte für öffentlichen Wasserleitungen ernannt (die sogenannten curatores aquarum). Später wurde noch das Amt eines procurators hinzugefügt und die Anzahl der Wartungsarbeiter wurde mit dem Bau weiterer wassertechnischer Anlagen beständig vergrößert. |
Abschließend sei noch erwähnt, dass die praktischen Römer dem Bau ihrer Aquädukte eine größere Bedeutung beimaßen, als den riesigen aber letztendlich in den Augen der Römer nutzlosen Pyramiden der Ägypter. Das zeigt sich ganz deutlich bei dem folgenden Zitat von Plinius d.Ä. (23 n.Chr.- 79 n.Chr.):
"Doch wer die Fülle des Wassers sieht, das so geschickt in die Stadt geleitet wird, um öffentlichen Zwecken zu dienen - Bädern, Häusern, Rinnsteinen, Vorstadtgärten und Villen; wer die hohen Aquädukte betrachtet, die erforderlich sind, um die richtige Beförderung zu garantieren; wer an die Berge denkt, die deshalb durchstoßen, und die Täler, die aufgefüllt werden mussten, der wird zugeben, dass der Erdkreis nichts Bewundernswerteres aufzuweisen hat."
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Kanalführung - Übersicht
Schon weit vor den Griechen leitete man als Trinkwasser vorgesehenes Frischwasser durch geschlossene Leitungen. In offenen Kanälen wurde größtenteils nur Brauchwasser weitergeleitet. Seit den Anfängen des antiken Leitungsbaus gab es immer sowohl in Kanal- als auch in Stollenbauweise ausgeführte Leitungen nebeneinander. Von der Kanalbauweise spricht man im Gegensatz zur Stollenbauweise dann, wenn eine Leitung zwar unterirdisch geführt wird, aber im Tagebau erstellt und später wieder abgedeckt wird. Es gab aber vor allem in römischer Zeit auch oberirdisch oder ebenerdig verlaufende Kanäle, die durch Platten abgedeckt wurden.
Unterirdische Kanalführung
Die unterirdische Kanalführung ist in griechischer oder republikanischer Zeit die überwiegende Bauform, weil die Leitungen so besser vor Fremdeinwirkungen in Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen geschützt waren. Damit war auch zu Kriegszeiten die Wasserversorgung einer belagerten Stadt gesichert. In den römischen Provinzen nördlich der Alpen war der bessere Schutz des Wassers vor Gefrieren im Winter ein weiteres Argument für die unterirdische Kanalführung.
Steinkanal
Quelle: Renate Tölle-Kastenbein - "Antike Wasserkultur", Verlag C.H.Beck
In archaischer und griechischer Zeit wurden die für Kanäle ausgehobenen Gräben mit seitlich hochkannt aufgestellten Steinplatten verschalt und oben mit Steinplatten abgedeckt. Diese für die griechische Zeit typische Steinbauweise wurde weiterentwickelt zum sauber gefugten Quadermauerwerk in spätgriechischer und römischer Zeit. In diese Kanäle wurde dann die eigentlichen meist aus Ton gefertigten Wasserleitungen gelegt.
Gewölbekanal
Quelle: Renate Tölle-Kastenbein - "Antike Wasserkultur", Verlag C.H.Beck
Mit der Entwicklung des hydraulischen Putzes wurde es möglich, die Kanalwände damit auszukleiden, so dass die Kanäle das Wasser direkt aufnehmen konnten. In römischer Zeit waren die Kanäle dann oft nicht mehr gemauert sondern aus opus caementitium (Römischer Beton) gefertigt und dann innen mit hydraulischem Putz versehen. Darüber befand sich ein aus Steinen geschichtetes Gewölbe oder der Kanal inklusive des Gewölbe bestand komplett aus dem Römischen Beton.
Ein typisches Beispiel dieser Kanalführung ist die Eifelwasserleitung in das antike Köln, die längste bisher gefundene römische Leitung nördlich der Alpen.
Ebenerdige oder oberirdische Kanalführung
Gedeckter überirdischer Kanal
Quelle: Renate Tölle-Kastenbein - "Antike Wasserkultur", Verlag C.H.Beck
Ebenerdige Kanäle fanden nicht so häufig Verwendung, oft nur als Teilstrecken eines längeren Leitungssystems.
Kanäle auf Unterbauten (sogenannten Substruktionen) wurden vor allem in römischer Zeit angelegt. Auf häufigsten sind oberirdische Kanäle auf Aquädukten zu finden. Dabei gibt es sie sowohl in gemauerter Form als auch aus opus caementitium gefertigt. Größtenteils wurden sie abgedeckt (geschlossene Bauweise), um Verunreinigungen oder das zu übermäßige Erwärmen durch Sonneneinstrahlung zu vermeiden. Das geschah sowohl durch Natursteinplatten als auch durch gemauerte Gewölbe. Innen waren sie immer mit einer mörtelartigen Verkleidung versehen. In Rom findet man streckenweise auch die Kanäle mehrerer Leitungen übereinander auf einem Unterbau.
Stollenleitung
Querschnitt einer typischen Stollenleitung
Quelle: Renate Tölle-Kastenbein - "Antike Wasserkultur", Verlag C.H.Beck
Die Erkenntnisse und langen Erfahrungen beim Stollenvortrieb im Bergbau machten die Anlage von Stollenleitungen für die Wasserversorgung in der Antike möglich. Diese haben gegenüber oberirdischen Kanälen den Vorteil, dass sie schwerer aufzuspüren und vom darüber liegenden Geländeprofil unabhängig zu errichten waren. Die Stollen waren üblicherweise begehbar und durch Schächte zu erreichen. Die Schächte dienten der Ausbringung des Aushub, der Belüftung ermöglichten den Zugang zu den Stollen zum Zwecke der Reinigung und Instandhaltung. Sie waren in Abständen zwischen 20 und 40 Metern vorhanden, Vitruv empfiehlt einen Abstand von 35 Meter. Die Tiefe der Stollen variierte gemäß den lokalen Gegebenheiten stark, Tiefen zwischen 10 und 15 oder sogar 18 Metern waren nicht selten. Dabei hatten die Stollen oft eine Länge von mehreren Kilometern und waren innen mit einer Rohrleitung ausgestattet. Aus römischer Zeit wurden ebenso viele Stollenleitungen gefunden wie aus griechischer Zeit. Man kann also diese Grundform des antiken Wasserleitungsbaus nicht als typisch griechisch ansehen. Allerdings wurde in römischer Zeit öfter auf die Verlegung einer zusätzlichen Rohrleitung auf der Stollensohle verzichtet. Stattdessen kleideten sie die Stollenwände und den Stollenboden mit wasserfestem Putz aus, so dass das Wasser direkt im Stollen weitergeleitet wurde. Am Ende der Stollenleitungen befanden sich dann verputzte Reservoire.
Die sogenannten Doppelstollen sind eine nur bei den Griechen auftretende Bauform und treten im wesentlichen bei frühen und längeren Stollenleitungen auf. Beide Stollen liegen dabei übereinander. Der obere Stollen ist durch Schächte mit dem unteren Stollen verbunden und war meistens nahezu waagerecht (ohne Gefälle) vorgetrieben worden. Die oberen Stollen dienten somit sicher nicht der Wasserweiterleitung, sondern lediglich die unteren Stollen mit entsprechendem Gefälle. Solche Doppelstollen finden sich in Athen, im antiken Samos sowie in Syrakus (Sizilien). Der Sinn dieser doppelt übereinander liegenden Stollen liegt wohl im Druck des Gebirge auf tieferliegende Stollen begründet. Der obere Stollen erfüllte somit eine Schutzfunktion, denn bei Gebirgsschlag oder sonstigen Einbrüchen war immer ausschließlich der obere Stollen betroffen. Die Wasserversorgung wurde also nicht unterbrochen. Außerdem waren die aufwendigen langen Schächte bis an die Oberfläche nicht nötig, um im Falle der Reinigung oder Instandsetzung an den wasserführenden unteren Stollen heranzukommen. So wurde auch die Entdeckungsgefahr einer Stollenleitung indirekt über die Auffindung der Einstiegsschächte deutlich reduziert.
Tunnelleitungen
Tunnel der Wasserleitung bei Nîmes (F)
Tunneleingang direkt nach dem Aquädukt Pont du Gard in Richtung Nîmes
Mit Hilfe von Tunneln wurden Wasserleitungen durch Berge hindurchgeführt. Damit sind sie auch gut von den Stollenleitungen abzugrenzen, die ausschließlich unter der Oberfläche vorangetrieben wurden. Tunnel waren in der Regel Bestandteile größerer oberirdisch errichteter Wasserleitungssysteme bestehend aus Kanälen, Aquädukten und/oder Druckstrecken. Sie dienten also lediglich der Durchquerung von im Weg befindlichen Bergen oder Hügeln.
Aquädukte und sonstige Unterkonstruktionen
Aquädukt in Segovia (Spanien)
Aquädukte sind Wasserbrücken, das Wasser wird in Kanalleitungen auf den typischen Bogenkonstruktionen zum Ziel geleitet. In der römischen Kaiserzeit wurden die Wasserleitungsbrücken unter Verwendung des von den Griechen entwickelten und von den Römer weiterentwickelten Bogenbaus immer länger. Dies geschah vor allem um Druckstrecken, wo immer möglich, zu vermeiden. Zur Versorgung der Städte, einiger Stadtteile oder bestimmter Bauten, die sich auf Hügeln befanden, mussten die umliegenden Senken durch mehr oder weniger lange Bogenkonstruktionen überbrückt werden. Beispiele dafür finden sich in Rom und Segovia aber auch in Mainz zur Versorgung des höher gelegenen Legionslager.
Die Aquäduktbauweise geht in ihren Anfängen auf die republikanische Zeit zurück. Mit Beginn der römischen Kaiserzeit ist die Bauweise voll ausgeprägt und findet im gesamten Römischen Imperium immer häufigere Verwendung. Die wenigen Bauten aus griechischer Zeit sind eher als Mauern mit kleineren Bogendurchlässen in Sockelbereich zu bezeichnen (wie zum Beispiel im griechischen Patara).
Mit der Verbesserung der Bogenbautechnik und dem damit verstärkt vorangetriebenen Wasserleitungsbau konnte der stetig steigende Wasserbedarf römischer Städte in der Kaiserzeit überhaupt gedeckt werden. überstieg der Wasserbedarf das Transportvermögen eines Kanals so verlegte man zwei Kanäle neben- oder, wie häufiger geschehen, übereinander auf einem Aquädukt oder einer anderen Unterkonstruktion (Mauer o.ä.). Dies zeigt sich z.B. sehr eindrucksvoll bei der Kanalführung der Aqua Claudia und des Anio Novus. Um besonders große Höhenunterschiede zu überwinden, wie z.B. beim Pond du Gard mit 49 m, legten die römischen Ingenieure bis zu drei Bogenreihen übereinander. Aquädukte mit zwei Bogenreihen erreichten immerhin noch Höhen von 25 bis zu 34 m, da allein die unteren Bogenreihen eine Höhe von bis zu 22 haben konnten (wie in Segovia). Der längste Aquädukt mit rund 4,5 km versorgte das römische Karthago. Über die wassertechnische Funktion hinaus hatten besonders die größeren Aquädukte sicher auch eine symbolische Funktion zu erfüllen. Sie sollten eindrucksvoll die Überlegenheit der römischen Ingenieurskunst verkörpern, was sicher auch gelungen ist. Noch heute beeindrucken die zahlreichen Überreste dieser Architekturgattung den Betrachter und lassen die Wirkung auf die Menschen in der Antike erahnen.